Bekenntnisgemeinde Emmaus

Mit zunehmendem Druck auf die Kräfte, die sich der nationalsozialistischen Eroberung der Kirche widersetzten, wuchs auch der Widerstandswille. Er fand seinen sichtbaren Ausdruck in der Gründung der Bekennenden Kirche Ende Mai 1934 auf der Bekenntnissynode in Barmen. Entscheidend war dabei, daß die Bekennende Kirche klar ihren Anspruch formulierte, die einzig rechtmäßige Kirche in Deutschland zu sein und die vom Staat eingesetzte und gestützte Kirchenleitung für illegal erklärte. Mit dem Reichsbruderrat schuf sie sich ein eigenes unabhängiges Leitungsorgan. Wie lagen die Dinge um diese Zeit in der Emmaus-Gemeinde? Der Parochialverein der Positiven (1891 gegründet, ab Nov. 1933 in "Glaubensbewegung für biblisches Christentum" umgewandelt), aus dessen Reihen die Fraktion der Positiven hervorging, erwies sich in diesen Zeiten der Verwirrung als Hort der Stärke. Von Hause aus konservativ, deutsch-national und bekenntnistreu, hatten sie über Jahre die Geschicke der Gemeinde gelenkt, ohne die in ihr vorhandenen sozialen Probleme zu ignorieren - ein Vorwurf, der den Positiven sonst häufig gemacht wird. Die Festigkeit, ja manchmal Starre im Nicht-Abrücken von einmal gefaßten Glaubensgrundsätzen erwies sich nun als Kraft des Widerstands. "Widerstand" hier ganz im ursprünglichen Sinne des Wortes gemeint, als Widerstehen gegen die Versuchung, bedenkenlos im Strom des Zeitgefühls mitzuschwimmen. Alle vier Pfarrer und auch deren Frauen waren Mitglieder des Parochialvereins. Bereits am 29. Juni 1934 rief Pfarrer Huhn in einer Mitgliederversammlung zum Anschluß an die Bekenntnissynode auf: "Es ist jetzt nicht mehr die Stunde der Entscheidung, sondern der Scheidung. Wir wollen uns daher ebenfalls, wie es bereits vielfach geschehen ist, der Bekenntnissynode anschließen." Am 24. Juli 1934 wiederholt Pfarrer Antoni diese Aufforderung: "Wir wollen alle die brüderliche Gemeinschaft, wo der Geist Gottes weht, und wo es zu spüren ist, einer trage des anderen Last. Und wenn man da zu uns sagt, kommt schließt euch an, so wollen wir das tun. "Immer dringlicher werden die Appelle. Am 28. September 1934 richtet nochmals Herr Pf. Antoni an alle Anwesenden den dringenden Ruf, nunmehr auch in Emmaus eine Bekenntnisgemeinde zu bilden. Herr Pf. Huhn weist darauf hin, wie wenig die Worte unserer Reichskirchenregierung mit ihren bisherigen Taten übereinstim-
men. Er fordert ebenfalls alle Anwesenden auf, nicht nur selbst sich unserer Bekenntnisgemeinde anzuschließen, sondern auch von Mund zu Mund hierfür zu werben und aufklärend zu wirken."

Mitgliederausweis der Bekennenden Kirche, sog. "Rote Karte"

Aufklärend wirken konnten die Vereinsmitglieder in jedem Fall, denn sie waren gut informiert. Schon vom Frühjahr 1932 an hatte es zahlreiche kritische Vorträge über die Deutschen Christen, ihre Auffassungen und Ziele, im Parochialverein gegeben. Viele der nachmals führenden Männer der Bekennenden Kirche waren in Emmaus gewesen und hatten dort gesprochen, zum Beispiel Sup. Dr. Bronisch, Pfarrer Hitzigrath, Pfarrer Grüber und Hildebrand, der einmal kurzfristig für Pfarrer Niemöller eingesprungen war. Die Tochter Pfarrer Huhns erinnert sich häufiger Kontakte ihres Vaters zu Gerhard Jacobi, dem späteren Präses der BK. (Dies bestätigen auch die Protokollbücher.) Dr. Hans Böhm, der Sprecher der BK, war ebenfalls in Emmaus. Die Festpredigt anläßlich eines großen Reformationsgottesdienstes in der Emmaus-Kirche hielt 1934 der Gen.-Sup. Otto Dibelius, den die Nationalsozialisten im Sommer 1937 in einem spektakulären Schauprozeß vorzuführen gedachten, der aber mit Dibelius' Freispruch endete.
Dieser ständig in Gang gehaltene Aufklärungsprozeß war sicher entscheidend dafür, daß es schließlich zur Bildung einer Bekenntnisgemeinde in Emmaus kam. In der Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 1934 "macht der Gruppenleiter Mitteilung von der Bildung eines Bruderrates in unserer Bekenntnisgemeinde Emmaus". Nachdem diese wichtige Entscheidung gefallen war, spürt man den weiteren Zusammenkünften deutlich eine Befreiung, einen neu erwachten Geist der Brüderlichkeit und des Füreinandereinstehens an. Auch die Laien waren jetzt in ganz neuer Weise gefordert: Am 17. März 1935 sollte in allen Bekenntnisgemeinden eine Kundgebung der Bekenntnissynode der Altpreußischen Union gegen das Neuheidentum verlesen werden, das durch die Deutschen Christen in die Kirchen getragen wurde. Die Gestapo hatte von diesem Vorhaben Kenntnis bekommen und in einer großen Aktion Hunderte von Pfarrern verhaftet oder mit Hausarrest belegt. Auch Pfarrer Huhn war davon betroffen. Man hinderte ihn am Betreten der Kirche, wo er die Konfirmandenprüfung abnehmen wollte. Auf dieses Ereignis hin bereitete man sich auf das Schlimmste vor: "Herr Pfarrer Huhn regt die Einführung von Lesegottesdiensten an für den Fall, daß einmal sämtliche Gemeindepfarrer verhindert sein sollten, den Gottesdienst in der Kirche abzuhalten."
Die erhalten gebliebenen Protokolle der Fraktionssitzungen der Positiven (die übergehen in die Protokolle der Bruderratssitzungen, denn es handelt sich immer um denselben Personenkreis) enden mit dem 17. Mai 1935. Der Bekenntnisgemeinde gehörten zu diesem Zeitpunkt 350 Personen an. Das geht aus den protokollierten Neuaufnahmen in jeder Sitzung hervor. Der Bruderrat bestand aus den langjährigen bewährten Ältesten der Gemeinde Kaufmann Münnich, Kaufmann Bolt, dem Polizeimeister Heerde, dem Klempnermeister Otto von Diezelski, Frau Zscherp, dem Buchdruckereibesitzer Knickmeyer, den Pfarren und dem Buchhalter Rudolf Ludwig.

 

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