Die Gemeinde wächst weiter

Nach all den erhebenden Feierlichkeiten und der Freude über das neue schöne Gotteshaus blieb den Gemeindevertretern von Emmaus die ernüchternde Erkenntnis, daß man sich mit dem Kirchbau erheblich übernommen hatte und nun vor einem Schuldenberg stand. Es waren Baukosten in Höhe von ca. 545.000 Mark angefallen. Rechnet man die Inneneinrichtung hinzu, belief sich die Gesamtsumme auf 595.000 Mark. 400.000 Mark waren aber ursprünglich nur angesetzt worden. Die erheblichen Mehrkosten waren durch Änderungswünsche der Gutachter entstanden, vor allem durch eine nachträgliche Verstärkung der Fundamente und die angeordnete eiserne Dachkonstruktion. Die Gemeinde hatte gar keine andere Wahl, als diese Mehrkosten in Kauf zu nehmen, wollte man den bereits begonnenen Bau nicht gänzlich aufgeben.
Die vereinigten Kreissynoden erhöhten ihren Beitrag um 60.000 Mark, die Luisenstadt-Gemeinde gab 10.000 Mark hinzu, die Gemeinden von St. Petri und der Neuen Kirche spendeten je 5.000 Mark für den Kirchbau. Trotzdem blieb der Emmaus-Gemeinde ein Defizit von 65.000 Mark, die man ursprünglich auf gerichtlichem Wege von der Stadt einklagen wollte, davon dann aber doch absah, wegen geringer Erfolgsaussichten. Erst 1897 waren schließlich sämtlich Bauschulden bezahlt mit Hilfe einer Anleihe, für deren Zinsabtragung die Stadtsynode garantierte. So mußten sich die Synodalen von Emmaus auf der Tagung der Kreissynode von Kölln-Stadt am 26. April 1895 den Vorwurf gefallen lassen, daß es wohl besser gewesen wäre, "statt der großen und teuren Kirche gleich zwei Kirchen mit derselben Summe zu bauen".
Der Vorwurf sprach noch ein anderes brennendes Problem an. Man war quasi gar nicht zum Atemholen gekommen, als sich zeigte, daß binnen weniger Jahre die Gemeindegliederzahl derart angewachsen war, daß eine erneute Teilung der Gemeinde dringend geboten war. Um eine seelsorgerische Betreuung der großen Parochie zu sichern, hatte man sie zunächst in vier Bezirke geteilt: in Emmaus-Mitte, Süd, Nord und West. Es bot sich an, die neuen Gemeinden nach dieser Gliederung abzuzweigen. Als dies nach der Jahrhundertwende endlich geschah, hatte Emmaus über 120.000 Gemeindeglieder. Es scheint uns heute kaum vorstellbar, wie es gelang, den Grundstückskauf, die Planung und Finanzierung gleich mehrerer neuer Kirchen zu organisieren. Denn die Verantwortung dafür lag zunächst bei den Gemeindeorganen der Emmaus-Gemeinde.
Zuerst konnte die Martha-Kirche am 30. Mai 1904 in der Glogauer Straße (vormals Emmaus-Süd) eingeweiht werden. Ihr folgte die Einweihung der Tabor-Kirche am Görlitzer Ufer (vormals Emmaus-Nord) am 20. Dezember 1905 und schließlich die Ölberg-Kirche in der Lausitzer Straße am 18. Juni 1922. Die Ölberg-Gemeinde (vormals Emmaus-West) bestand allerdings schon seit 1911. Ihr Kirchbau war durch Krieg und Geldentwertung wesentlich behindert worden. Die Inflation hatte das bereitgehaltene Kapital beträchtlich vermindert, so daß diese letzte Kirche schließlich nur klein und bescheiden ausfallen konnte.

 

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